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Claudia Wilpernig studiert an der Pflegeakademie der Barmherzigen Brüder Wien Gesundheits- und Krankenpflege und hat ihr Erasmus-Semester im Krankenhaus St. John of God in Ghana verbracht.

 

WIEN, ÖSTERREICH | AMRAHIA, GHANA

27. Juni 2025

Das Bild zeigt Claudia Wilpernig mit Angestellten des St. John of God Hospital's in Amrahia, Ghana.

Claudia Wilpernig absolvierte ein Auslandspraktikum im St. John of God Hospital in Amrahia, Ghana

MISERICORDIA: Sie waren für ein Praktikum in einer Einrichtung der Barmherzigen Brüder in Ghana. Wie lange und wieso haben Sie sich für Ghana entschieden?

 

Claudia Wilpernig: Ich war vier Monate in Ghana und bin am 12. Februar zum Studienstart an die Pflegeakademie, dort studiere ich Gesundheits- und Krankenpflege im sechsten Semester, zurückgekommen. Es war ein Auslandssemester über Erasmus Plus. Eigentlich kann man mit dem Erasmus Plus nur innerhalb von Europa das Auslandssemester machen. Aber weil ich bei den Barmherzigen Brüdern studiere, habe ich die Möglichkeit erhalten, nach Ghana zu gehen. Es ist toll, dass die Brüder weltweit tätig sind, sodass man die Chance hat, dass man auch woanders "reinschauen" kann. 61 Praktikumstage waren verpflichtend, aber ich bin zusätzlich die Weihnachts- und die Semesterferien geblieben.

 

"Ich reise grundsätzlich sehr viel habe schon mehrere afrikanische Länder bereist. Da hat das für mich super gepasst, dass ich arbeite und dann auch das Land bereise."

 

Die Organisation war eher mühsam. Schon im dritten Semester gab es die Info, dass man ein Auslandssemester machen kann und im vierten Semester verfasst man ein Motivationsschreiben und sagt auch, wohin man gerne möchte. Die Koordinatorin des Erasmus-Programms der FH Campus Wien hat mir dann erzählt, dass es die Möglichkeit gibt, das Semester über die Barmherzigen Brüder auch international zu machen.

 

Ich habe mich nicht so sehr auf die Sprache als Auswahlkriterium konzentriert, denn im afrikanischen Raum gibt es viele portugiesisch- oder französischsprachige Länder und ich spreche nur Italienisch und ein bisschen Spanisch. Am Ende blieben bei mir Uganda, Malawi oder eben Ghana. Und gefühlsmäßig hat es mich nach Ghana gezogen und ich habe dann probiert, Kontakt aufzunehmen. Eine Zeitlang habe ich nichts gehört und ich weiß bis heute nicht, ob meine E-Mails wirklich angekommen sind. Glücklicherweise hat einer unserer Brüder mit dem Prior des Konvents in Ghana eine Ausbildung gemacht. Ab da war es super easy, weil ich gleich eine WhatsApp-Nummer gekriegt habe und dann haben wir nur mehr so Kontakt gehalten.

Das Bild zeigt einen Operationssaal.

Die Ausstattung öffentlicher Krankenhäuser in Ghana ist nicht mit Mitteleuropa vergleichbar.

Patient:innen können in Ghana nur ins Krankenhaus, wenn sie oder ihre Angehörigen genug Geld dafür haben und die Versorgung damit gedeckt ist. Das gilt auch für Notfälle.

Claudia Wilpernig über das Gesundheitssystem in Ghana

Auch die Organisation über Erasumus hat dann Zeit gebraucht, etwa, ob man überhaupt ein Stipendium bekommt. Das war für viele von meinen Kolleg:innen ein Thema, die einfach sagten, das ist mir zu aufwendig, zu riskant, wenn ich nicht weiß, ob ich eine finanzielle Unterstützung dafür bekomme . Für mich ist das außer Frage gestanden, denn ich habe ein finanzielles Backup. Auch wenn ich jetzt kein Stipendium bekomme, ich mache das trotzdem.

 

Von der Bewerbung bis zum tatsächlichen Abflug ist es schon ein langer Prozess, da muss man immer wieder nachhaken und dranbleiben. Man muss sich um alles selber kümmern, etwa was die Versicherung oder das Visum betrifft. Die ghanaische Botschaft etwa hat nicht so oft mit solchen Praktikumsthemen zu tun. Glücklicherweise hat der Koordinator von Ghana, Frater Bruder Nestor, das schon öfters gehabt und deshalb hat das mit seinem Wissen dort gut funktioniert.

 

Was waren denn die Herausforderungen?

 

Die offizielle Landessprache ist Englisch, aber es ist so, dass viele die Sprache trotzdem nicht beherrschen. Akan ist quasi die zweite Landessprache und dann gibt es ganz viele Unterteilungen. In Amaia, wo ich im Krankenhaus gearbeitet und wo auch der Konvent ist, wo ich gewohnt habe, wird Twi gesprochen. Das habe ich mir ein bisschen leichter vorgestellt. Aber da muss man, finde ich, offen sein, dass man sagt, okay, dann versteht man halt manche Sachen nicht. Oder manchmal auch einfach jemandem auf die Schulter klopfen und sagen: Könnt ihr das bitte auf Englisch machen? Auch die Fachbegriffe habe ich natürlich lernen müssen. Ein paar Begriffe merkt man sich auch schnell. Wichtige Dinge, die man oft braucht, ein paar Phrasen, wie die Patient:innen danach fragen, ob sie Schmerzen haben. Und ich habe immer viel mitgeschrieben. Das mache ich auch hier bei den Praktika so.

 

Das Hauptverkehrsmittel ist das Motorrad und die meisten haben keinen Helm auf, es herrscht auch keine Helmpflicht und Schutzkleidung gibt es sowieso nicht. Wir hatten mehrmals in der Notaufnahme heftige Platzwunden im Kopfbereich. Diese werden dann schon behandelt, aber dann müssen die Patient:innen so lange bleiben, bis das Geld für die Behandlung bezahlt ist.

 

Im Krankenhaus kümmern sich um die Pflege und weiteren Versorgung der Patient:innen ausschließlich die Angehörigen. Es gibt dort etwa kein Essen. Das wird alles von den Angehörigen gebracht. Und wenn jemand gar keine Angehörigen hat, dann hat der einfach keine Versorgung. Das haben wir auch oft erlebt. Es gab dort etwa auch eine Geburtsstation und da haben wir öfters Frauen gehabt, die allein zur Geburt gekommen sind und danach allein auf sich gestellt waren.

 

Es gibt in Ghana auch keine gesetzliche Krankenversicherung. Dort muss man selber dafür bezahlen, wobei nur wenige Leistungen von ihr gedeckt sind. Wer es sich leisten kann, hat eine kostspieligere private Krankenversicherung und sucht sich zur Behandlung ein gutes Krankenhaus aus, etwa das Universitätskrankenhaus – und kein kleines Krankenhaus wie das der Brüder.

Das Bild zeigt Claudia Wilpernig mit einem Mitarbeiter des Krankenhauses.

Sauerstoff muss in Flaschen ans Bett gebracht werden, Das Bild zeigt Claudia Wilpernig mit einem Mitarbeiter im "Sauerstoff-Lager".

Das Bild zeigt eine Infotafel des St. John of God Hospital's in Amrahia, Ghana.

Das St. John of God Hospital in Amrahia bietet zahlreiche Dienstleistungen an.

Wie ist denn die medizinische Ausbildung in Ghana?

 

Bei den Ärzt:innen ist es ähnlich wie bei uns, also mit dem Famulieren und dann auch mit den Praktika, die man machen muss, und dann die Facharztausbildung. Viele haben in Accra selber studiert, in der Hauptstadt. Manche in Kumasi, das ist die zweitgrößte Stadt in Ghana, die ein bisschen mehr im Landesinneren ist. Aber viele der Ärzt:innen, die ich kennengelernt habe, haben die Ausbildung im Ausland gemacht, sind dann wieder zurückgekehrt und wollen vielleicht die Facharztausbildung wieder im Ausland machen. Manche streben auch, an im Ausland zu praktizieren, was natürlich schwierig ist, weil genauso wie bei uns gibt es einen Ärztemangel. Das liegt auch daran, dass die Bezahlung so schlecht ist . Das kann man sich nicht vorstellen, was man als Arzt, Ärztin oder als Pfleger, Pflegerin in Ghana verdient. Die Pflegeausbildung dauert  vier Jahre bis zum Bachelor oder man macht das Diplom und das dann dauert dann drei Jahre. Außerdem muss man einen "National Service" nach der Ausbildung machen, der ein Jahr dauert und unbezahlt ist. Das hat die Regierung so eingeführt und fordert es auch ein.

 

Können Sie du etwas über das Krankenhaus erzählen, in dem Sie gearbeitet haben?

 

Das ist das St. John of God Hospital. Es ist ein Ordensspital, aber nicht wie bei uns, wo etwa auch Nichtversicherte behandelt werden. Wenn das mal passiert, dann wird das nicht publik gemacht. Bei der Versorgung ist es so, dass das Bestmögliche gemacht wird, aber meine Kolleg:innen haben einmal gesagt: Also wenn ich etwas habe, dann würde ich jetzt nicht da hergehen. Wenn du arbeitest und genug verdienst, dann suchst du dir ein besser ausgestattetes Krankenhaus. Im Grunde habe ich alles einmal über Bord werfen können, was ich daheim gelernt habe, weil es wird sehr "bodenständig" gearbeitet. Es gab zum Beispiel oft einen Handschuh-Engpass und wir hatten etwa für Nachtdienste nicht einmal eine Packung Handschuhe. Es wird alles mit Alkohol desinfiziert. Also gleich, ob eine Flächendesinfektion oder eine Händedesinfektion, es wird für alles das Gleiche genommen. Und die Wunden werden mit einer Seifenlauge gesäubert. Wie eine Blutabnahme gemacht wird, das könnte man sich bei uns nicht vorstellen. Da hast du eine normale Spritze, eine normale große Nadel und so wird Blut abgenommen.

 

Wobei ich bei manchen Dingen schon auch darum gekämpft habe, denn ich als Mitarbeiterin muss mich selber auch schützen. Ich habe zum Beispiel aus Österreich zwei Packungen Handschuhe mitgenommen. Das war dann immer lustig, wenn dann irgendwie mal ein Engpass war und ich habe dann immer welche in meiner Hosentasche eingesteckt gehabt. Und meine waren halt blau und deren weiß, also haben sie immer schon gewusst, ah, die Claudia ist irgendwo.

Claudia Wilpernig gemeinsam mit Brüdern des Konventes in Amrahia, Ghana

Das Bild zeigt Claudia Wilpernig und Brüder des Konvents in Amrahia.

Ghana

Ghana liegt im Westen Afrikas und war das erste afrikanische Land, das 1957 die Unabhängigkeit von kolonialer Herrschaft erlangte. Die Hauptstadt ist Accra, die offizielle Sprache Englisch und die Währung ist der Ghanaische Cedi. Das Land ist reich an natürlichen Ressourcen, darunter Gold, Kakao und Öl. Die etwa 32 Millionen Einwohner:innen gehören über 100 ethnischen Gruppen an.
Die Barmherzigen Brüder sind seit 1992 in Ghana aktiv. Sie haben dort mehrere Einrichtungen, darunter Krankenhäuser, Schulen und soziale Dienste, die sich um die Bedürfnisse der Gemeinschaft kümmern.

Bilder aus dem St. John of God Hospital

Das Bild zeigt Sauerstofflaschen.

Sauerstoff ist nicht am Bett verfügbar, er muss in großen Zylindern zum Bett gebracht werden.

Hilfsprojekt

 

Während eines Dienstes gab es einen Sauerstoffengpass

 

Es ist nicht so wie bei uns, wo die Sauerstoffleitungen in die Wand montiert sind und da kann man dann einfach aufdrehen, wenn man Sauerstoff braucht. Dort gibt es mobile Zylinder und wenn jemand Sauerstoff benötigt, dann muss man einen zwei Meter großen Zylinder zum Bett holen. Wir haben einen akuten Fall gehabt, wo die Sättigung bei der Patientin nicht mehr gepasst hat und ich wollte Sauerstoff besorgen und es gab keinen mehr. Alle Zylinder waren leer. Wir konnten die Patient:innen nicht weiterversorgen. Und dort ist es auch nicht so, dass es ein Rettungssystem gibt, wo Krankenwägen permanent verfügbar sind. An dem Tag haben wir Glück gehabt, wir haben eine Ambulanz angerufen, die hat die Patientin mit Sauerstoff versorgt ins nächstgrößere Krankenhaus gebracht, wo sie dann weiterversorgt werden konnte. Das war für mich ein einschneidendes Erlebnis.

 

Wenn manche OP’s nicht durchgeführt werden können oder ein CT-Gerät nicht in jeder Klink verfügbar ist, ok. Aber da hat sich jemand nicht darum gekümmert, dass genug Sauerstoff da war. Also es ist ein menschlicher Fehler. Das darf eigentlich nicht sein. Das war kurz vor Weihnachten, und das hat mich auf die Idee gebracht, dass ich gern, einfach als Dankeschön für diese Zeit, die ich jetzt dort verbracht habe, etwas zurückgeben will.

 

Da habe ich eine Initiative gestartet und vor Weihnachten eine Nachricht an viele meiner Freunde und Familienangehörigen mit der Bitte um eine Spende verschickt. Zum Schluss habe ich einen beachtlichen Spendenfonds gehabt, wo ich vor Ort neue Zylinder gekauft habe. Eigentlich müssen die Patient:innen auch für den Sauerstoff zahlen, das wollte ich gern implementieren, dass ein Teil von den Patient:innen nicht übernommen werden muss. Es ist jetzt so, dass nur ein Teil bezahlt werden muss, weil wenn etwas gratis ist, dann ist es nichts wert.

 

Für dieses Projekt bin ich auch jetzt noch ein bisschen die Koordinatorin, die immer mal wieder nachfragt, wie schaut es aus, was brauchen wir jetzt. Es funktioniert alles jetzt ohne meine Anwesenheit, aber ich habe schon die Hand drüber. Jetzt haben wir etwa einen Cardiac-Monitor gekauft, wo für das Notfallbett die Sauerstoffsättigung und der Blutdruck permanent gemessen werden, was es dort auch nicht gegeben hat.


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